VGH Baden-Württemberg hebt Auswahlentscheidung der Stadt Freiburg auf und moniert den „Anschein eines Geheimverfahrens“
In einer heutigen Presseerklärung berichtet die Kanzlei Benesch & Partner über ihren jüngsten Erfolg vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Hier die juristische Fachmaterie im Wortlaut:
"Mit Beschluss vom 14. Februar 2023 (Az. 6 S 1431/22) hat der 6. Senat am VGH Baden-Württemberg auf die von der Kanzlei Benesch & Partner und dort federführend von Rechtsanwalt Königstein geführte Beschwerde den vorhergehenden Beschluss des VG Freiburg vom 21. Juni 2022 (Az. 4 K 1519/22) abgeändert. Aufgrund diverser auch erstinstanzlich übersehener gravierender Fehler in der Auswahlentscheidung der Stadt Freiburg darf der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren obsiegende Spielhallenbetrieb vorläufig weiterbetrieben werden.
Das höchste Verwaltungsgericht des Bundeslandes mit Sitz in Mannheim vertiefte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu vielen Problemen einer Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Spielhallenbetrieben seine Rechtsprechungslinie. Auch über die derzeit vor dem Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg von der Kanzlei Benesch & Partner überprüfte „Zäsur-Rechtsprechung“ ergingen weitergehende rechtliche Ausführungen des Senats.
Auswahlverfahren mit dem Anschein eines Geheimverfahrens
Die vom Senat gegenüber der Stadt Freiburg gewählten Begriffe wirken überraschend harsch. Der Senat erkennt in dem 2022 durchgeführten Auswahlverfahren der Stadt Freiburg den „Anschein eines Geheimverfahrens“. Hintergrund sind Aktenvermerke der Stadt. Sie hielt gezielt Auswahlkriterien vor den von der Auswahl betroffenen Betrieben zurück und begründete dies mit der Sorge vor Akteneinsichtsgesuchen.
In der verfahrensgegenständlichen Auswahl entschied die Stadt zu Gunsten desjenigen Betreibers, der unmittelbar zuvor noch ohne Erlaubnis oder städtische Duldung seinen Betrieb fortführte. Hierbei handelte es sich wohl um einen illegalen Fortbetrieb. Um diesen erlaubnis- und duldungsfreien Zeitraum nachträglich zu legalisieren, erteilte die Stadt dem von ihr ausgewählten Spielhallenbetrieb die Erlaubnis auch mit teilweise rückwirkender Erlaubniszeit. Damit deckte die Stadt nicht nur den wohl illegalen Betrieb eines Spielhallenbetreibers, sondern verhalf diesem sogar mittels konstruierter Rückwirkung der Erlaubnis zum Sieg in der Auswahlentscheidung. Der unterlegene Betreiber beauftrage die Kanzlei Benesch & Partner gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einzulegen.
Senat schiebt Vorgehen der Stadt Freiburg einen Riegel vor
Das Verwaltungsgericht Freiburg setzte sich leider erneut mit den aufgeworfenen rechtlichen Fragen nur unzureichend auseinander.
Zu Unrecht, wie der VGH Baden-Württemberg feststellt. Dem Vorgehen der Stadt schob der Senat einen Riegel vor. Er hält fest: die entsprechenden landesgesetzlichen Vorgaben stehen nicht zur Disposition der Stadt Freiburg. Sie hat den maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der rechtlichen Fragen zu berücksichtigen. Eine von der Stadt verfügte Rückwirkung trotz vorherigen erlaubnis- und duldungsfreien Betriebs erfolgte rechtsfehlerhaft.
Der Senat tritt dabei auch deutlich der Andeutung des VG Freiburg und den vielfach in anderen Verfahren vorgebrachten Einwendungen anderer Behörden entgegen: ein Eilverfahren mit dem Ziel, den obsiegenden Konkurrenzbetrieb vorerst den Betrieb zu untersagen, ist nicht erforderlich. Eine solche Forderung widerspricht gerade den Vorgaben an einen effektiven Rechtsschutz. In einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung ist allen daran beteiligten Spielhallenbetrieben (sowohl in obsiegender als auch unterlegener Position) der vorläufige Weiterbetrieb zu gestatten.
Auswahlentscheidung in mehreren Punkten rechtsfehlerhaft
Auch die Auswahlentscheidung der Stadt Freiburg selbst hält der Senat in mehreren Punkten für rechtsfehlerhaft. So berücksichtigte die Stadt Freiburg rechtsfehlerhaft und ohne sachlich nachvollziehbare Begründung eine freiwillige Eintrittsalterserhöhung eines Spielhallenbetriebs auf 23 Jahre, obwohl die Altersgruppe zwischen 21 und 23 Jahre keine erhöhte Schutzbedürftigkeit erkennen lässt. Zudem stellte die Stadt Freiburg rechtswidrig eine Hierarchie von Auswahlkriterien auf, welche nach den Vorgaben des Landesglücksspielgesetz nicht erlaubt ist.
Zudem stellt der Senat klar, dass auch Grundrechtserwägungen in einer Auswahlentscheidung in den Blick genommen werden können. Die Auswahlentscheidung der Stadt Freiburg wird im anhängigen Hauptsacheverfahren in rechtmäßiger Weise neu durchgeführt werden müssen. Bereits im Vorlauf zu der nun als rechtswidrig eingestuften Auswahlentscheidung der Stadt Freiburg unterlag diese aufgrund der von ihr damals nicht rechtzeitig vorgenommenen Auswahlentscheidungen in einer Vielzahl von der Kanzlei Benesch & Partner eingeleiteter vorläufigen Rechtsschutzverfahren."