Staat haftet nicht für verspätete Umsetzung von EU-Recht
Die Bundesrepublik Deutschland haftet nicht dafür, dass sie Spielbanken und gewerbliches Geldspiel hinsichtlich der Umsatzbesteuerung jahrelang ungleich behandelt hat. Der der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass „die Bundesrepublik (…) nicht in einer einen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch begründenden, hinreichend qualifizierten Weise“ gegen die Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie der EU verstoßen hat (Az.: III ZR 215/11).
In seiner Begründung führt der BGH unter anderem aus, dass der vom EuGH entwickelten unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch nur dann in Betracht kommt, wenn er „gegen eine Norm des Unionsrecht verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht“.
Nach seiner Analyse des Gesetzgebungsverfahrens der Bundesregierung zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass kein hinreichend qualifizierter – also weder vorsätzlicher, noch grob fahrlässiger – Verstoß gegen EU-Recht vorliegt, weil das Gesetz dreimal in den Vermittlungsausschuss musste, ehe es 1980 endgültig verabschiedet wurde.
Zudem sei die Ungleichbehandlung der in öffentlichen Spielbanken aufgestellten Glücksspielautomaten mit den in Spielhallen betriebenen Geldspielgeräten in ihrer ganzen Tragweite erst mit den Urteilen des EuGH in der Rechtssache „Fischer“ vom 11. Juni 1998 und insbesondere in der Rechtssache „Linneweber“ vom 17. Februar 2005 geklärt worden. Noch im November 2002 habe der BFH bezüglich dieser Unterschiede Klärungsbedarf gehabt. Ein hinreichend qualifizierter Verstoß sei somit zu verneinen.
Die vom EuGH beanstandete Ungleichbehandlung von Geldspielgeräten Automaten in den öffentlichen Spielbanken wurde erst durch die Änderung des Paragrafen 4 Nr. 9b UStG vom 28. April 2006 dadurch behoben, dass auch die Spielbanken der Umsatzsteuer unterworfen wurden.