Hamburger Wirtschaftsbehörde steckt im Dilemma
Laut Rechtsanwalt Rolf Karpenstein erwägt die Hamburger Wirtschaftsbehörde aktuell, von dem unionsrechtswidrigen Erfordernis einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis nach dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) und dem Hamburger Spielhallengesetz abzusehen.
"Soll"- und "Ist"-Vorschriften
„Hintergrund ist nicht nur die Erkenntnis, dass das Erfordernis einer glückspielrechtlichen Erlaubnis nicht mit Artikel 56 AEUV vereinbar ist und dass die Anwendung des GlüÄndStV und des Hamburger Spielhallengesetzes zu Amts- und unionsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen in beachtlicher Höhe führen wird“, sagt Rolf Karpenstein von der Kanzlei Blume Ritscher Nguyen Rega Rechtsanwälte auf isa-guide.de. Vielmehr sei der Hamburger Wirtschaftsbehörde aufgefallen, dass das Hamburger Spielhallengesetz in dem maßgeblichen Aspekt der Mindestabstandsregelung widersprüchlich und deshalb nicht handhabbar sei. Der Mindestabstand sei gleichzeitig als Soll- und als Ist-Vorschrift geregelt.
Darüber hinaus rückt Karpenstein auch die Haftungsfrage in den Mittelpunkt. Dem Rechtsanwalt zufolge haftet nicht nur die Freie und Hansestadt Hamburg, sondern auch der einzelne Beamte als Rechtsanwender. „Die gegenüber dem Bürger gemäß Paragraf 34 GG haftende Freie und Hansestadt Hamburg muss nämlich den rechtswidrig handelnden Beamten in Regress nehmen (Paragraf 48 BeamtStG). Die Anwendung des widersprüchlichen Gesetzes erfolgt vorsätzlich, weil sich der Widerspruch im Hamburger Spielhallengesetz schon beim allerersten Blick ins Gesetz aufdrängt und in diesem Artikel explizit dargestellt wird“, argumentiert Karpenstein.
Haftungsfrage
Die Haftung des einzelnen Beamten im Wege des Regresses durch die FHH gelte auch dann, wenn die Anwendung des widersprüchlichen Gesetzes auf einer Dienstanweisung beruhe. Jeder Beamte sei durch Artikel 56 AEUV und durch die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eigenständig verpflichtet, ein widersprüchliches unionsrechtswidriges Gesetz ebenso wie unionsrechtswidrige Dienstanweisungen von sich aus unangewendet zu lassen (EuGH, Ciola, Rn. 27 ff.), betont Rolf Karpenstein.
Für den Rechtsanwalt ist nicht nur „der Hamburger Gesetzgeber aufgerufen, das Spielhallengesetz unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben abzuschaffen“. Vielmehr seien die mit der Sache befassten Amtswalter zur Vermeidung der eigenen Haftung verpflichtet, den Grundrechten und Grundfreiheiten der Spielhallenbetreiber den Vorrang vor dem widersprüchlichen Hamburger Spielhallengesetz und erst recht gegenüber Dienstanweisungen der Wirtschaftsbehörde einzuräumen.
Auf isa-guide.de finden sich weitergehende Ausführungen Rolf Karpensteins.
Eine offizielle Stellungnahme der Behörde ist noch nicht bekannt.