Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht –Update: Entscheidung wohl heute Abend
Bereits gestern, am 15. Dezember, hatte das Bundesverwaltungsgericht von 10 bis 21 Uhr zu mehreren branchenrelevanten, rechtlichen Fragestellungen getagt. Am heutigen Freitag, den 16. Dezember, setzte das Gericht in Leipzig die Erörterungen fort. Laut BA-Justiziar Stephan Burger hat sich das Bundesverwaltungsgericht nun zur Beratung zurückgezogen und wird seine Entscheidung voraussichtlich am heutigen Freitag in den Abendstunden verkünden.
Hier das BA-Schreiben von BA-Justiziar Stephan Burger im Wortlaut:
„Wir hatten Sie mit unserem gestrigen BAdirekt über die Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG - Az. 8 C 6.15, 8 C 7.15, 8 C 8.15, 8 C 4.16 und 8 C 5.16) informiert. Gegenstand in den Verfahren ist die Gesetzgebungskompetenz des jeweiligen Landes (Berlin und Rheinland-Pfalz) für bestimmte spielhallenbezogene Regelungen, der Mindestabstand zwischen Spielhallen untereinander und zu sogenannten Kinder- und Jugendeinrichtungen, das Verbot von Mehrfachkonzessionen, die Ausweitung von Sperrzeiten, die Ausgabe von Speisen und Getränken sowie sonstige belastenden Regelungen der beiden länderspezifischen Spielhallenregelungen.
Wie bereits gestern berichtet, wurden am gestrigen Vormittag sowie am frühen Nachmittag insbesondere kompetenzrechtliche Fragen erörtert. Am Nachmittag begannen sodann die umfangreichen Beratungen zur materiellen Rechtmäßigkeit der länderspezifischen Spielhallenregelungen von Rheinland-Pfalz und Berlin.
Die Sitzung dauerte am Donnerstag bis 21:00 Uhr an. Sämtliche in Frage kommenden belastenden Regelungen wurden materiellrechtlich unter den Voraussetzungen der Grundrechte der Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG, der Gewährleistung des Eigentums nach Artikel 14 GG und dem Gleichheitsgebot nach Artikel 3 GG diskutiert.
Das Fazit der höchst engagierten Klägervertreter war, dass die ganz große Mehrzahl der Belastungen gegen obige Grundrechte verstoße. Mit Recht sprachen die Prozessvertreter von einer nicht gerechtfertigten Überregulierung, die sich insbesondere in einem sogenannten additiven Grundrechtseingriff manifestiere. Ein solcher Grundrechtseingriff liegt dann vor, wenn viele belastende Regelungen zusammentreffen, die für sich betrachtet unter Umständen keine signifikante Verletzung der jeweiligen Grundrechte darstellen müssen. Zu beachten ist hier, dass neben den Belastungen aus den jeweiligen länderspezifischen Spielhallenregelungen auch noch die neuen bundesrechtlichen Vorgaben aus der Spielverordnung ebenso hinzukommen, wie die lediglich zu Lenkungszwecken erhobene Vergnügungssteuer in Berlin.
Auch wurde das sogenannte Mindestabstandsumsetzungsgesetz Berlin beraten, das neben der Vielzahl von weiteren Belastungen neue Untiefen geschaffen hat. So diskutierte z.B. die Gauselmann-Gruppe die Irrungen und Wirrungen der neueren Berliner Gesetzgebung. Das Bundesland Berlin hat nämlich in seinem „Sonderverfahren für Bestandsbetriebe“ bislang keinen tragfähigen Ansatz zur Auflösung der Konkurrenzsituation zwischen einzelnen Spielhallen gefunden, obwohl dies expressis verbis Gesetzeszweck ist. Vom Justitiar des Verbandes der Automatenkaufleute Berlin und Ostdeutschland e.V., Hendrik Meyer, wurde daneben auch die Problematik der Übergansfrist thematisiert. Er legte überzeugend dar, dass sich der einzelne Berliner Spielhallenbetreiber eben nicht auf die veränderte Rechtslage einstellen konnte, da er gar nicht wissen konnte, welche Untiefen das erst im April diesen Jahres beschlossene Gesetzt bereitet.
Am heutigen Verhandlungstag standen europarechtliche Aspekte im Vordergrund. So wurden beide länderspezifischen Spielhallenregelungen auf die Vereinbarkeit mit der unionsrechtlichen Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit diskutiert. Besondere Berücksichtigung fand hierbei selbstverständlich das unionsrechtliche Kohärenzgebot, das den Gesetzgeber zu einer systematischen Regelung des Glücksspielbereichs anhält. Aus absolut nachvollziehbarer Sicht der Prozessvertreter stellen die belastenden Regelungen selbstverständlich Eingriffe in die oben genannten europarechtlichen Grundfreiheiten dar und können, insbesondere im Hinblick auf das Kohärenz- bzw. Transparenzgebot, nicht gerechtfertigt werden.
Den Schluss der Sacherörterung bildete die mögliche unionsrechtliche Notifizierungspflicht, die von allen Klägervertretern angenommen wurde. Der Hintergrund ist hier die sogenannte Informationsrichtlinie der europäischen Union, nach der die Mitgliedstaaten der EU „Entwürfe von technischen Vorschriften“ gegenüber der Europäischen Kommission zu notifizieren haben, bevor sie innerstaatlich in Kraft treten können. Dies ist bei fast allen länderspezifischen Spielhallenregelungen nicht erfolgt. Ein möglicher Verstoß gegen die Notifizierungspflicht stellt einen groben Formfehler dar, der die Ungültigkeit der Norm und ihre Unanwendbarkeit auf einzelne Spielhallenbetreiber zur Folge hätte.
In ihren Schlussworten verdeutlichten die Klägervertreter sowie Dieter Kuhlmann von der Gauselmann-Gruppe nochmals die existenzgefährdenden Seiten der beiden angegriffenen länderspezifischen Spielhallenregelungen. Kuhlmann verwies insbesondere auf den Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen in der gesamten Republik sowie auf das bestehende Vollzugsdefizit bei Café-Casinos. Der Justiziar des Verbandes der Automatenkaufleute Berlin und Ostdeutschland e.V. Hendrik Meyer ging in seinem Schlusswort nochmals auf das „Leerlaufen“ der Übergangsfrist ein und erachtete die Eingriffe der Landesgesetzgeber als unverhältnismäßig. Rechtsanwalt Beckmann sah alle Maßnahmen des Berliner Spielhallengesetzes als nicht geeignet an, das eigentliche Ziel, das zur Vermeidung von Spielsucht führen soll, zu erreichen und äußerte ferner, dass das Vertrauen der rechtsunterworfenen Unternehmen in den Gesetzgeber nachhaltig erschüttert sei.
Das Gericht hat sich nunmehr zur Beratung zurückgezogen und wird seine Entscheidung voraussichtlich am heutigen Freitag in den Abendstunden verkünden. Wir werden Sie am Montag hierüber informieren.“