20.06.2024

NAV klagt Bremer Zustände an: "Statt einer Regulierung mit Augenmaß erleben wir einen Vernichtungsfeldzug – im Gegenzug boomt das illegale Spiel!"

Prof. Dr. Florian Heinze während der Zoom-Mitgliederversammlung mit vielen wertvollen Hinweisen und Tipps, auch zum Verfahrensstand Eilverfahren.

Unser Archivfoto zeigt, von links: Detlev Graß, 1. NAV-Vorsitzender, Justiziar RA Prof. Dr. Heinze und Martin Reuvers, Schatzmeister und 2. NAV-Vorsitzender.

BA-Präsident Thomas Breitkopf (hier auf einem Archivfoto): Der Bremer Weg ist ein Irrweg!

Weitere Gäste des Meetings: VDAI-Geschäftsführer Lars Rogge (oben) und DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker mit einer Videobotschaft an die NAV-Mitglieder.

Mitglieder des NAV beim Stammtisch vor vier Wochen. Existenzen stehen auf dem Spiel.

Die Situation in Bremen ist eine Katastrophe für die Branchenunternehmen vor Ort! „Statt einer Regulierung mit Augenmaß erleben wir einen Vernichtungsfeldzug. Und im Gegenzug boomt das illegale Spiel“, klagt NAV-Vorsitzender Detlev Graß die wirklichkeitsfremd regierende rot-grün-rote Koalition in Bremen an. „Aber natürlich stecken wir nicht den Kopf in den Sand, sondern führen weiter politische Gespräche, auch mit der Opposition.“

Nachdem sich die Mitglieder des Nordwestdeutschen Automatenverbandes (NAV) vor vier Wochen zu einem Stammtisch im Paulaner’s Wehrschloss getroffen hatten (wir berichteten ausführlich in unserer Juni-Ausgabe), legte der Verband heute mit einer zweistündigen Online-Jahreshauptversammlung nach. Schwerpunkt waren natürlich die existenziell wichtigen rechtlichen Tipps und Einschätzungen von NAV-Justiziar Prof. Dr. Florian Heinze, aber auch die Solidaritätsbekundungen des DAW-Vorstandssprechers Georg Stecker und BA-Präsidenten Thomas Breitkopf.

Breitkopf: Branche in einer Sandwich-Position

Der Präsident des Bundesverbandes Automatenunternehmer bedauert das wirtschaftliche Chaos, das in Bremen angerichtet wird. „Sach- und Fachkunde treten in den Hintergrund, wenn Ideologie die Politik dominiert.“ Der Bremer Weg sei – vergleichbar mit den Zuständen in Berlin – ein Irrweg, so Thomas Breitkopf, der einen Parforce-Ritt durch zahlreiche Themen vollführte.

Eine der Kernaussagen: Das gewerbliche, extrem regulierte Spiel befinde sich in einer Art Sandwich-Position zwischen dem wachsenden illegalen Sektor mit gefährlichen Spielformen und den legalen Spielbanken mit gefährlichen Spielformen. Diese gefährliche Entwicklung sei „ein Bärendienst für den Jugend- und Spielerschutz“.

„Wir haben eine Zukunft, aber wir haben verdammt schwere anderthalb Jahre vor uns.“ Die Branche werde durch eine neue Spielverordnung wieder ein attraktiveres Spiel bekommen, zeigt sich Thomas Breitkopf zuversichtlich. Bis dahin müssen die wirtschaftlich angeschlagenen Branchenunternehmen noch durchhalten.

Stecker: Qualitative Regulierung statt Kahlschlag

DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker hatte aus Termingründen eine herzliche Video-Grußbotschaft an den Verband übersandt. Die Bremer Familienunternehmen, oft in zweiter oder dritter Generation tätig, hätten eine Politik auf Augenhöhe verdient und das Anlegen von qualitativen Regulierungsmaßstäben statt des aktuellen Kahlschlages. Gegen die „völlig verfehlte Regulierung“ müsse sich der NAV nach Kräften wehren, unterstützt nicht zuletzt auch vom Dachverband DAW.

Martin Reuvers, stellvertretender NAV-Vorsitzender und Schatzmeister, gewährte einen Einblick in die Finanzen, und die Kassenprüferinnen Birgit Majonek und Irina Menchikowski berichteten von ihrer Kontrolltätigkeit. Nach der Entlastung des Vorstandes und den Versammlungsformalien ergriff RA Prof. Dr. Florian Heinze das Wort.

Der NAV-Justiziar leuchtete zunächst den Verfahrensstand Eilverfahren aus. Auch das OVG Bremen habe in 2. und letzter Instanz die Beschwerdeverfahren negativ entschieden. Die Beschlüsse werden derzeit zugestellt. „Das OVG Bremen wird alle Beschwerden zurückweisen. Der Instanzenzug in den Eilverfahren ist mit der Entscheidung des OVG erschöpft – über diesem Urteil wölbt sich nur noch der blaue Himmel. Jetzt folgen behördliche Aufforderungen mit einer letzten kurzen Frist zur Schließung.“

Prof. Dr. Heinze: Losverfahren rechtswidrig

Niederschmetternd: Es bleiben in der Tat wohl nur noch rund zwei Wochen bis Anfang Juli Zeit, um die betroffenen Spielhallen komplett zu schließen!

Was kann man noch tun? Möglich ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht, zulässig zur Abwehr schwerer Nachteile und Eingriffe in die Verfassungsrechte. Allerdings: Die Schließung der betroffenen Spielhallen lässt sich dadurch nicht aufschieben.

Die anstehenden Auswahlentscheidungen durch Losverfahren können rechtlich sehr wohl angezweifelt werden, so Prof. Dr. Florian Heinze. Es gebe gute Argumente und Gründe, dass diese rechtswidrig sind.

Zum Thema Zertifizierung und Sachkundeprüfung noch einmal der Hinweis: Zertifikate und Sachkundenachweise müssen der Behörde bis zum 30. Juni 2024 vorgelegt werden, da sonst am 1. August die Erlaubnisse erlöschen! Weitere Informationen folgten zu den Personalschulungen nach neuem Recht – neun Zeitstunden in vier Modulen. Aktuell lizenzierte Anbieter: Merlato, GSP und Caritas.

Auslaufmodell: Doppelhallen in Niedersachsen

Schließlich noch der Schwenk von Bremen nach Niedersachsen. Die Doppelhallen dort müssen zum 31. Dezember 2025 schließen. Der NAV- und AVN-Justiziar verweist darauf, dass bereits jetzt Genehmigungsanträge für die priorisierten Spielhallen (bei bisherigen Doppelspielhallen) gestellt werden können. Bei Interesse am Weiterbetrieb der zweiten Halle gibt es Rechtswege, die man bei Ablehnungsbescheiden beschreiten kann – mit Klagen und Eilanträgen.

Der nächste virtuelle Gast Lars Rogge, Vorsitzender der VDAI-Geschäftsführung, lieferte Informationen zur Marktentwicklung sowie zur Evaluierung der Spielverordnung. Die Anzahl der aufgestellten Geldspielgeräte ist zwischen 2016 und 2022 um 39 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig ist der illegale Markt von 2016 zu 2023 um 852 (!) Prozent in die Höhe geschnellt. Diese fatale Entwicklung habe inzwischen auch die Politik erreicht. So zitierte Lars Rogge den Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert: „Studien zeigen, dass heute nahezu jedes dritte Geldspielgerät in Deutschland illegal oder manipuliert ist und mindestens die Hälfte aller Umsätze aus illegalen Geräten kommen.“

Zusammenhang zwischen falscher Regulierung und Expansion der Illegaliät

Aufgabe der Branche müsse es sein, den Zusammenhang zwischen fehlgeleiteter Regulierung und Expansion der Illegalität gegenüber der Politik in Bund und Ländern deutlich und verständlich zu machen, betonte der VDAI-Geschäftsführer.

Von einer Bremer Automatenunternehmerin mit vielen Jahrzehnten Branchenerfahrung waren im Zoom-Chat übrigens diese drei Worte zu lesen: „Alles ein Wahnsinn!!!!!“ Dem bleibt und ist leider nichts hinzuzufügen.