10.05.2021

Lage in Baden-Württemberg ernst – Verbände kämpferisch-optimistisch – Appell zur politischen Mitarbeit

Ihre Wortbeiträge grundierten den Online-Stammtisch (von links oben im Uhrzeigersinn): FSH-Vorsitzender Frank Waldeck, Dirk Fischer vom erweiterten AVBW-Vorstand, 2. FSH-Vorsitzender Jeanne Pierre Berlejung und AVBW-Justiziar Tim Hilbert.

Über 80 Automatenunternehmer und -unternehmerinnen diskutierten bei einem heutigen Online-Stammtisch die dramatische Lage im „Musterländle“. Denn aktuell droht den Branchenunternehmen in Baden-Württemberg ein totaler Kahlschlag und der Verlust von tausenden Arbeitsplätzen!

In dem jüngst vorgestellten Koalitionsvertrag von Bündnis 90/Die Grünen und CDU wurde bekanntlich vereinbart, dass man – anders als Bundesländer wie Bayern, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen – von der Option des Paragrafen 29 Absatz 4 des Glücksspielstaatsvertrages („Öffnungsklausel“) zur Zulassung von Mehrfachspielhallen keinen Gebrauch machen will. Außerdem soll an den bestehenden desaströsen „Kahlschlag-Regeln“ zu Mindestabständen festgehalten werden.

80 Gespräche mit Bürgermeistern und Spitzenverbänden

Grund genug für den Fachverband Spielhallen (FSH) und den Automaten-Verband Baden-Württemberg (AVBW) zu einem Online-Stammtisch einzuladen.

Dirk Fischer, Mitglied des erweiterten Vorstandes des AVBW, schilderte die vielfältigen Aktivitäten des Verbandes in den vergangenen Monaten. Unter anderem wurden seit August rund 80 Gespräche mit Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und den kommunalen Spitzenverbänden zu den Auswirkungen eines Spielhallenkahlschlages geführt und gemeinsam mit dem DAW eine alarmierende Medieninitiative gestartet.

Nicht zu vergessen die Online-Petition von DAW und AVBW, für die bereits rund 10 000 Unterschriften gesammelt werden konnten. Bei dem Engagement der Unternehmen sei aber noch Luft nach oben, so Dirk Fischer.

Nach einem langen Marathon nun in der Schlusskurve

Erneut der Appell an die Automatenunternehmer: „Bitte wenden Sie sich mit direkten Gesprächsangeboten an Ihre Landtagsabgeordneten vor Ort. Wir befinden uns nach einem langen Marathon jetzt in der Schlusskurve, fast auf der Zielgeraden.“ Die Gefahr einer massiven Schließungswelle müsse – politisch und juristisch – gebannt werden. Dabei werde der Automaten-Verband Baden-Württemberg von seinem politischen Berater Professor Gläser, früheres geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Städtetages, unterstützt.

Bewährt habe sich auch, wenn sich Berufskollegen zusammentun und gemeinsam einen Politiker in ihre Familienbetriebe einladen. FSH-Vorsitzender Frank Waldeck mit dem Tipp, als Türöffner wie folgt einzuladen: „Wir würden gerne Ihre politische Arbeit unterstützen. Besuchen Sie bitte unseren Betrieb …“

Rechtsanwalt Tim Hilbert ohne Umschweife: „Die Lage ist verdammt ernst.“ Im Vergleich zu anderen vergleichbaren Bundesländern mit moderaten Regelungen würden fast alle Genehmigungen in Baden-Württemberg zum 30. Juni 2021 auslaufen. Der Justiziar des AVBW gibt sich jedoch kämpferisch-optimistisch: „Wir gehen davon aus, dass wir den Weiterbetrieb durchsetzen werden.“

Neuanträge, Härtefallanträge und Anträge auf Duldung

Bislang gebe es kein gerichtlich bestätigtes Auswahlverfahren in Baden-Württemberg. Auch sei eine bestandskräftige Auswahl der Spielhallen, die eine glücksspielrechtliche Erlaubnis erhalten, bis zum 30. Juni 2021 nicht zu erwarten.

Justiziar Tim Hilbert empfiehlt, Neuanträge für die betroffenen Spielhallen zu stellen, hilfsweise auch als Härtefallantrag. Bei Mehrfachspielhallen sollte der Antrag auf Weiterbetrieb der verbleibenden Spielhallen im Wege eines Härtefalls (§ 51 Abs. 5 LGlüG) erfolgen.

Ebenso wichtig – der Antrag auf Duldung der Spielhallen bis zum Abschluss des Verfahrens. Hilfsweise der Antrag auf eine „angemessene Abwicklungsfrist der Spielhallen“. Wird der Weiterbetrieb nicht geduldet, sollte vor Ablauf des 30. Juni 2021 ein gerichtlicher Eilantrag (§ 123 VwGO) eingereicht werden. Auch von Bedeutung, der Verband plant Musterverfahren!

Anschluss an die zentrale Sperrdatei zum 1. Juli 2021

Die ab 1. Juli 2021 geltende gesetzliche Verpflichtung zum Anschluss an ein zentrales spielformübergreifendes Sperrsystem (§§ 8 - 8d GlüStV) war ebenfalls Thema des Online-Stammtisches. Der stellvertretende FSH-Vorsitzende Jean Pierre Berlejung schilderte seine langjährigen Erfahrungen mit „Oasis“ in Hessen. „In den ersten drei bis fünf Monaten hatten wir Umsatzrückgänge in Höhe von bis zu 20 Prozent. Aber danach stabilisierten sich wieder unsere Umsätze.“ Man könne als Unternehmer auf ein vollautomatisches oder ein halbautomatisches System setzen. Bei jedem Betreten eines Spielgastes bestehe die Pflicht zum Abgleich mit der Sperrdatei.

Weitere, angerissene Themen des Stammtisches waren die Überbrückungshilfe III, Szenarien für eine Öffnungsperspektive, die Modellversuch-Erfahrungen im Saarland mit der kurzzeitigen Öffnung von Spielhallen und – als „worst case“ – mögliche Vorbereitungen einer Schließung von Spielhallen, insbesondere in Bezug auf Arbeits-, Miet- und Versorgungsverträge.

Deutlich wurde bei dem Online-Stammtisch: Die Automatenunternehmer im Südwesten Deutschlands wollen um ihre seit Jahrzehnten legal tätigen Familienunternehmen und die rund 8 000 betroffenen Arbeitsplätze kämpfen. Die Vorstände von FSH und AVBW und der Dachverband DAW stehen dabei an ihrer Seite!