Glücksspiel-Survey: "Rundblick" hinterfragt und kritisiert die Übernahme offenkundig eklatant falscher Suchtzahlen durch die Politik
Die eklatanten Zweifel am Glücksspiel-Survey (wir berichteten wiederholt) werden weiter befeuert! Aktuell berichtet der „Rundblick – Politikjournal für Niedersachsen“ kritisch zur Sachlage. Auf der Titelseite findet sich der Anriss: „Überschätzte Gefahr? Es gibt Zweifel an den Hinweisen auf eine angebliche Steigerung der Spielsucht“. Der ausführliche, dreiseitige (!) Bericht in der Rubrik „Blick in die Wirtschaft“ ist überschrieben: „500 000 Spielsüchtige in Niedersachsen? Experten glauben den Zahlen nicht“. Einige Kernaussagen des Berichtes:
Redakteur Christian Wilhelm Link startet mit Martina Kuhnt und Lea-Marie Gehrlein von der Niedersächsischen Landesstelle für Suchtfragen, die ins Blaue hinein behaupten, dass allein in Niedersachsen „rund 500 000 Menschen ein glücksspielsuchtbezogenes Problem“ haben. Der Autor: „Kaum jemand hinterfragt diese Statistik, sie wird in Politik und Medien in der Regel unkritisch übernommen. Das ist vor allem dann problematisch, wenn solche Zahlen als Grundlage für verschärfte Glücksspielregulierungen herangezogen werden.“
"Unstatistik des Monats"
Der Rundblick-Redakteur steigt mit diesen Worten tiefer in die Thematik ein: „Doch ist die Glücksspielsucht tatsächlich so ein weitverbreitetes Phänomen in Niedersachsen oder beruhen die Annahmen vielmehr auf einer fehlerhaften Datenbasis? Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen kürte den Glücksspielatlas im Oktober 2024 zur ‚Unstatistik des Monats’. Statistik-Koryphäe Katharina Schüller war misstrauisch geworden, weil die alle zwei Jahre stattfindende Befragung plötzlich einen massiven Anstieg der Betroffenenzahlen verzeichnete. Grund dafür war der Übergang der Befragung von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zur Universität Bremen.“
Drastische Unterschiede
„Die Befragung der BZgA war eine rein telefonische Erhebung, mittlerweile werden die Teilnehmer telefonisch und online befragt“, wird Katharina Schüller zitiert. Dies führe zu drastischen Unterschieden: „Unter telefonisch Befragten lag die Rate der Glücksspielstörungen bei 0,4 Prozent, bei Online-Befragten hingegen bei 6,2 Prozent.“ Außerdem wird die die Repräsentativität des sogenannten Glücksspiel-Survey angezweifelt.
Und, auch wichtig: „Erschwerend hinzu komme, dass 80 Prozent der Befragten des Glücksspiel-Survey gar nicht geantwortet hätten“, wird betont. Frau Schüller wörtlich gegenüber dem Rundblick: „Dieser sogenannte Non-Response birgt ein hohes Risiko, verzerrte Ergebnisse zu erhalten, die keine belastbaren Schlüsse mehr auf die Bevölkerung zulassen.“
Prof. Manfred Güllner von Forsa
Kritik am Glücksspiel-Survey auch von Forsa-Geschäftsführer Prof. Manfred Güllner. Die wissenschaftliche Forsa-Studie im Auftrag des Verbandes der Automatenindustrie (VDAI) bestätigt die früheren BZgA-Ergebnisse: „Das Ergebnis der repräsentativen telefonischen Wiederholungsstudie mit 11 503 Teilnehmern: Mehr als 95 Prozent der Befragten spielen nicht oder sind als unproblematische Spieler einzustufen. Der Anteil für auffälliges Glücksspiel liegt aktuell bei 3,82 Prozent und der für problematisches Glücksspielverhalten bei 0,37 Prozent. Als wahrscheinlich pathologisch Glücksspielende sind 0,28 Prozent der Befragten zu klassifizieren.“
Hochgerechnet habe Niedersachsen also nur 18 000 pathologische Spielsüchtige, wird betont. Weitere Themen des Berichtes sind: Suchtstatistiken aus Niedersachsen zu den Betroffenen von Spielsucht, die erheblichen Folgen einer Überregulierung des gewerblichen Spiels und das Vertreiben der Spieler „in dunkle Kanäle“ durch die pauschale Verschärfung von Glücksspielgesetzen.
Prädikat: sehr lesenwert. Hier geht es zu dem Rundblick-Beitrag (hinter einer Bezahlschranke – zwei Wochen Probe-Abo für 0,00 Euro).
FAZ berichtete bereits im Januar
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte am 22. Januar den Glücksspiel-Survey in einem längeren Bericht in Zweifel gezogen (wir berichteten). „Neue Befragung widerspricht alarmierenden Zahlen“, so die Schlagzeile damals. Tenor des FAZ-Berichtes: Die Glücksspielatlas-Zahlen von Uni Bremen und ISD sind höchst fragwürdig. FAZ-Autor Reiner Burger wörtlich im Vorspann des Berichtes: „Ist die Zahl der pathologisch Spielsüchtigen tatsächlich dramatisch in die Höhe geschnellt? Eine neue Erhebung mit seit Jahren bewährtem Studiendesign verstärkt die Zweifel am ‚Glücksspielatlas‘.“ Hier geht es zum FAZ-Bericht.