Gaming in Germany: Der deutsche Online-Markt als Sonderfall
Bei der Gaming in Germany-Konferenz am 5. November kamen Experten für Online-Glücksspiel aus ganz Europa nach Berlin, um über den deutschen Online-Markt zu diskutieren.
Beleuchten die italienische Regulierung (v.l.): Dr. Jörg Hofmann mit einem Blick in die Glaskugel, Pierre Tournier und Stefano Sbordoni.
Birgitte Sand, ehemalige Vorsitzende der Danish Gambling Authority, im Dialog mit Ronald Benter, Co-Vorsitzender der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL).
Bei der Gaming in Germany-Konferenz am 5. November im Berliner Hotel Adlon Kempinski stand der deutsche Online-Glücksspielmarkt im Mittelpunkt. Vertreter von Anbietern und Behörden sowie Juristen erörterten in mehreren Panel-Diskussionen die aktuelle Lage der Regulierung und Verbesserungsoptionen. Einen hilfreichen Input lieferten Kenner des italienischen Marktes.
Italiens Weg als mögliches Vorbild
„In Italien hat man verstanden, dass der einst restriktive Weg eine Sackgasse war“, sagt Dr. Jörg Hofmann, Senior Partner in der Kanzlei Melchers Law.
Wie die Wende von einer anfangs mangelhaften Regulieruung des Online-Marktes zu einem Markt mit hoher Kanalisierungsrate gewendet werden kann, demonstriert das Beispiel Italiens. So berichtete Roberto Fanelli, von 2014 bis 2018 Vorsitzender der italienischen Regulierungsbehörde, dass nach dem Erkennen der Fehler der Vollzug gestärkt und eine Steuerreform vorgenommen wurde, sodass die legalen Angebote an Attraktivität gewannen.
„Der legale Markt muss ermächtigt werden kompetitiv zu sein, legt Rechtsanwalt Stefano Sbordoni dar.
Pierre Tournier, International Director des Betting and Gaming Council, weist darauf hin, dass die meisten Staaten, in denen der Online-Markt funktioniere, eine sehr ähnliche Regulierung aufweisen würden. Deutschland falle hier deutlich mit einer niedrigen Kanalisierungsrate auf.
"Unterschiedliche Einschätzungen zum Zustand des Glücksspielmarktes"
Eine andere Sicht vertrat Ronald Benter, Co-Vorsitzender der Gemeinsamen Glücksspielberhörde der Länder (GGL). Er begann mit einer Bestandsaufnahme des Online-Glücksspielmarktes in Deutschland: 71 aktive Anbieter, davon 25 Anbieter im Bereich Sportwetten, 36 Anbieter im virtuellen Automatenspiel, fünf im Online-Poker und fünf im Bereich Pferdewetten.
„In den ersten neun Monaten dieses Jahres haben diese vier Glücksspielformen Spieleinsätze von etwa zehn Milliarden Euro“, sagt Benter. Auf Sportwetten würden 6,1 Milliarden Euro entfallen, 3,1 Milliarden Euro beim virtuellen Automatenspiel, auf Online-Poker entfallen laut Benter etwa 500 Millionen Euro und auf Pferdewetten 92 Millionen Euro.
In Sachen Spieleinsätze könne man dem GGL-Vorstand zufolge in 2024 eine Seitwärtsbewegung wahrnehmen. Die GGL sei angetreten mit einem Selbstverständnis als verlässlicher Partner für alle Interessen, so Benter.
Er betont, dass sich die GGL an Daten und Fakten orientiere, konstatiert aber, dass zurzeit unterschiedliche Einschätzungen zum Zustand des Glücksspielmarktes kursieren. Vor allem bei den Zahlen zur Größe des Schwarzmarktes gebe es massive Abweichungen. Während die GGL von einem Schwarzmarktanteil am gesamten deutschen Glücksspielmarkt von unter zehn Prozent ausgehe, ergab die Studie des Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Gunther Schnabl eine Schwarzmarktquote im Online-Glücksspielsektor von etwa 50 Prozent. Josh Hodgson, Senior Associate beim Marktforschungsinstitut H2 Gambling Capital, unterfüttert mit aktuellen Daten die Diagnose, dass Deutschland im Bereich Glücksspiel ein „Sonderfall“ ist. Ihm zufolge wachse in Deutschland vor allem der Schwarzmarkt, im Bereich Slots und Online-Casino noch stärker als bei den Sportwetten. Im legalen Online-Markt erwartet H2 Gambling Capital eine Stagnation.
Was in Deutschland wächst, ist der Schwarzmarkt – Ausreißer in Europa
Hodgson verdeutlicht, dass die Online-Bruttospielerträge in Deutschland für Sportwetten und Glücksspiele über 76 Prozent unter dem Durchschnitt anderer vergleichbarer Märkte liegen. Die Gesamtausgaben für Online-Wetten und Glücksspiele sind hierzulande laut H2 Gambling Capital mehr als viermal niedriger als in den Niederlanden. Interessant dabei ist, dass der deutsche und der niederländische Online-Glücksspielmarkt ungefähr zur gleichen Zeit reguliert wurden. Die Daten deuten H2 Gambling Capital zufolge darauf hin, dass Deutschland im Vergleich zu anderen kommerziell regulierten Online-Glücksspielmärkten in Europa ein völliger Ausreißer ist.
Ronald Benter sieht jedoch keine Bestätigung in den hohen, abweichenden Zahlen, die nicht von der GGL kommen. Die GGL ist laut Benter offen für Impulse aus der Glücksspielindustrie, „sofern diese die Frage beantworten helfen, wie gut der Glücksspielstaatsvertrag die Probleme lösen kann, um deretwegen er beschlossen wurde“.
Benter kommt zu dem Schluss: „Die GGL sorgt mit ihrem Vorgehen in der Erlaubniserteilung und der Aufsicht für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen unter allen erlaubten Anbietern.“
Die Vertreter der Marktteilnehmer hingegen beklagen sich verstärkt über einen „überregulierten Markt“ und „zu strenge Restriktionen“.
Einen umfassenden Bericht über weitere Vorträge und Panel-Diskussionen lesen Sie in unserer Dezember-Ausgabe.