Unternehmer in Bremen führen Abwehrschlacht ohne Planungssicherheit
„Ich kann das, was zurzeit in Bremen passiert, überhaupt nicht nachvollziehen“, sagt Detlev Graß am 8. März einleitend zur Online-Sonderversammlung des Nordwestdeutschen Automaten-Verbandes (NAV).
Der NAV-Vorsitzende informierte die Mitglieder zusammen mit dem NAV-Justiziar Prof. Dr. Florian Heinze über den aktuellen Stand der behördlichen und gerichtlichen Verfahren im Bundesland Bremen.
„Unverhältnismäßige, staatliche Maßnahmen“
Bereits der Titel des Vortrages von Prof. Dr. Heinze „Bremen – eine Abwehrschlacht“ lässt auf die derzeitige Lage für Automatenunternehmer in Bremen und Bremerhaven schließen. Diese Schlacht würden die Bremer Unternehmer gegen „unverhältnismäßige, staatliche Maßnahmen“ führen. Man befinde sich im „juristischen Endkampf“ mit dem Land Bremen, sagt NAV-Justiziar und Rechtsanwalt Prof. Dr. Florian Heinze.
Mindestabstandskonflikte und Verbot der Mehrfachkonzessionen
Konkret dreht sich alles am die seit dem 1. Juli 2023 gültige Rechtslage, die Heinze zufolge in Bremen solch große Probleme verursache. Diese beinhalte unter anderem den „verheerenden Mindestabstand“ zwischen Spielhallen und Schulen von 500 Metern, den Mindestabstand zwischen Spielhallen untereinander von 500 Metern und eine Mindestabstandsregelung von Spielhallen zu Wettvermittlungsstellen von ebenfalls 500 Metern sowie das Verbot der Mehrfachkonzessionen.
Das werde in Bremen seit Herbst 2023 praktiziert und damit müsse man sich formal-juristisch und gerichtlich auseinandersetzen, legt Heinze dar.
Eilverfahren und Duldungserklärungen
Unter dem Druck von Eilverfahren kam es zu Duldungserklärungen, obwohl gemäß der gesetzlichen Lage in Bremen eine nach dem 30. Juni 2023 Vielzahl von Spielhallen hätte schließen müssen. Die neuen Genehmigungsverfahren, bei denen Spielhallen in einem Abstandskonflikt zu Schulen stehen, sind bislang alle zu Ungunsten von Spielhallen entschieden worden. Zudem sind laut Heinze alle Genehmigungsanträge von mehrfachkonzessionierten Spielhallen abgelehnt worden. Die Abstandskonfliktsituationen zwischen Spielhallen untereinander und von Spielhallen zu Wettvermittlungsstellen seien von den Behörden noch nicht aufgelöst worden.
„Viele dieser Auswahlverfahren werden zurzeit durchgeführt“, sagt Heinze.
Ihm zufolge gelten in diesen Fällen die Duldungserklärungen bis zu einer behördlichen Entscheidung. Gegen diese abgelehnten Anträge wurden Eilverfahren geführt.
„Wenn man die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts (VG) Bremen liest, muss man einmal tief ein- und ausatmen“, sagt Heinze.
VG Bremen ignoriert sämtliche von der Betreiberseite vorgetragenen Argumente
Sämtliche von Betreiberseite vorgetragenen Argumente wurden vom VG Bremen nicht beachtet. Das Gericht hält die Mindestabstandsregelung für verfassungsgemäß. Folglich gingen viele Unternehmer vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen. Hier laufen die Verfahren noch. Eine seriöse Prognose zur Dauer dieser Verfahren ist laut Heinze nicht möglich. Sollte das OVG negative Entscheidungen treffen, würden Spielhallen schließen müssen. Bis dahin sind die Bremer Unternehmer zum Abwarten gezwungen.
Kleinstes Bundesland, schärfste Regelungen
„Was wir hier sehen, ist nach meiner Wahrnehmung, die schärfste Exekution von Einschnitten ins Glücksspielrecht, die wir bundesweit haben“, bilanziert NAV-Justiziar Heinze.
Er appelliert an die Betreiber, ihre Standorte nicht kampflos aufzugeben.
Politische Gespräche bislang fruchtlos
Auch in Bezug auf die politischen Gespräche gibt es wenig Positives zu berichten. Detlev Grass berichtet davon, dass vor allem die regierende SPD nichts an ihrer negativen Fundamentalhaltung zum Glücksspiel ändern wolle. Dominiert werde die Debatte im kleinsten Bundesland von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Was die Lage sicherlich nicht verbessern werde, ist der Umstand, dass der Bereich gewerbliches Glücksspiel, der zurzeit noch in der Wirtschaftsbehörde angesiedelt ist, in Zukunft zum Innenresort gehören werden, berichtet Grass.
„Die gesamte politische Situation ist eine Katastrophe“, sagt Grass.
60 bis 100 Millionen Schwarzgeld pro Jahr in Bremen durch illegale Geräte – entgangene Steuereinnahmen
Enttäuschung und Unverständnis ruft auch die Sichtweise von vielen Richtern und Staatsanwälten auf das illegale Spiel hervor. Das Problem wird laut Graß in seinen weitreichenden Ausmaßen nicht erkannt. Dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert (SPD) zufolge sei jedes dritte Gerät illegal. Detlev Graß rechnet vor: „In Bremen gibt es ungefähr 2 200 Geldspielgeräte, demzufolge gibt es etwa 750 illegale Geräte. Laut der Gewerkschaft der Polizei werden mit diesen illegalen Geräten pro Monat zwischen 5 000 und 10 000 Euro umgesetzt. Nimmt man nun einen Mittelwert von 7 500 Euro monatlichen Kasseninhalts dieser illegalen Geräte an, reden wir von 60 bis 100 Millionen Euro Schwarzgeld pro Jahr in Bremen.“
Doch auch diese Auswirkungen scheint die Bremer Regierung, primär die SPD, bislang nicht zum Umdenken zu bewegen.
Befeuert werde die Diskussion in Bremen durch den Wissenschaftler Dr. Tobias Hayer, der Grass zufolge „ideologische Denkansätze“ in die Debatte einbringe.
Jahreshauptversammlung online
Die schlechte juristische Lage hat mittlerweile auch Auswirkungen auf den Verband. So habe man laut Graß entschieden, dass die für den Juni geplante Jahreshauptversammlung aus Kostengründen online stattfinden werde. Zuvor werde am 23. Mai ein Stammtisch ausgerichtet. Bei Bedarf soll ein weiteres Treffen folgen. Weitere Informationen zu diesem Stammtisch und der Versammlung werde der NAV in Mitteilungen an seine Mitglieder liefern.
Einen ausführlichen Bericht über die Online-Sonderversammlung des NAV lesen Sie in der April-Ausgabe des AutomatenMarkt.