Umstellung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer – Horst Hartmann ordnet BMF-Schreiben ein – wichtige Tipps
Der Bundesverband Automatenunternehmer hat sich in einem BAdirekt-Rundschreiben mit der Problematik der Umstellung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer von Saldo 2 zu Saldo 1 beschäftigt. Ausdrücklich wird Diplom-Kaufmann Horst Hartmann, Vorstandsmitglied des Deutschen Automatenverbandes (DAV), für seine Expertise gedankt.
Hier dessen Ausführungen im Wortlaut:
"Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Datum vom 05.11.2021 ein Schreiben zur Berechnung der Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten veröffentlicht. Es wird festgestellt, dass als umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage der Saldo 1 des Auslesestreifens heranzuziehen ist. Tatsächlich wird in der Praxis spätestens seit dem grundlegenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 05.05.1994 der Saldo 2, bis vor kurzem unbeanstandet durch die Finanzverwaltung, als Bemessungsgrundlage verwendet.
Worin besteht der Unterschied?
Ausweislich des grundlegenden Urteils des EuGH ist der Kasseninhalt die Grundlage zur Berechnung der Umsatzsteuer bei Geldspielgeräten. Der Saldo 1 berechnet sich aus dem Einwurf abzüglich des Auswurfs, der Saldo 2 ergibt sich aus dem um die Veränderungen in den Auszahlsystemen berichtigten Saldo 1. Der Saldo 2 ist der Betrag, der dem Unternehmer zum Zeitpunkt der Kassierung tatsächlich zufließt. Im Idealfall, wenn sich der Bestand in den Auszahlsystemen nicht verändert, wäre Saldo 1 gleich dem Saldo 2.
Einordnung des BMF-Schreibens
Das Schreiben vom 05.11.2021 wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Die Finanzbehörden sind daran gebunden. Es handelt sich um eine Verfügung des BMF, die die rechtliche Einordnung des BMF wiedergibt. Grundsätzlich sind sowohl die Finanzverwaltung, als auch die Steuerpflichtigen an die Steuergesetze gebunden. Soweit es notwendig ist, werden die Steuergesetze durch die Rechtsprechung ergänzt beziehungsweise ausgelegt. Im Gegensatz zur rechtlichen Einordnung des BMF haben einige Finanzgerichte (zum Beispiel: FG Hamburg v. 15.07.2014 Az. 3 K 207/13, FG Sachsen-Anhalt v. 08.07.2015 Az. 3 K 305/14, FG Köln v. 30.01.2018 Az. 8 K 2620/15) die Anwendung des Saldo 2 als Bemessungsgrundlage als zulässig erkannt. Die steuerrechtliche Einordnung durch das BMF ist demnach nicht zwingend und durchaus angreifbar. Der Unternehmer, der den Saldo 2 als Bemessungsgrundlage verwendet, verstößt zumindest bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den Bundesfinanzhof nicht gegen geltendes Steuerrecht.
Auswirkungen in der Buchhaltung
Wird die Bemessungsgrundlage auf Basis des Saldo 1 berechnet, so werden mit jeder Kassierung zwei Buchungen notwendig. Einmal die Buchung des Saldo 1 auf ein neu einzurichtendes Zwischenkonto, welches mit der Datenbereitstellung zur Berechnung der Umsatzsteuer verknüpft ist. Als nächste Buchung muss der Saldo 2 erfolgswirksam und kassenwirksam gebucht werden. Der Saldo 1 kann nicht geschäftskassenwirksam gebucht werden, da der Betrag aus Saldo 1 nicht dem Betrag entspricht, der dem Unternehmer tatsächlich in die Geschäftskasse zufließt. Alle Buchungssysteme müssen angepasst beziehungsweise verändert werden. Das Buchungsaufkommen wird sich verdoppeln.
Auswirkungen in den Abrechnungs- und Erfassungsprogrammen
Alle bestehenden Programme und Abrechnungssysteme, zum Beispiel in der Gastronomie, müssen angepasst werden. Die Provisionsabrechnung in der Gastronomie wird weniger nachrechenbar.
Auf alle offenen Fälle anzuwenden
Das BMF schreibt, dass der Saldo 1 in allen noch „offenen Fällen“ anzuwenden sei. Dies bedeutet, dass zum Beispiel die bisher erstellte Buchhaltung für das Jahr 2021 vollständig überarbeitet werden muss. Für die Vorjahre gilt dies entsprechend.
Fazit
Die Vorgabe aus dem BMF-Schreiben stellt die rechtliche Einordnung des Bundesfinanzministeriums dar. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte stellt in den entschiedenen Fällen auch die Richtigkeit einer anderen Einordnung fest. Der Unternehmer kann sich auf diese Rechtsprechung berufen und als Bemessungsgrundlage den Saldo 2 verwenden ohne gegen ein Steuergesetz zu verstoßen. Aufgrund der Verwaltungsanweisung an die Finanzbehörden wird es voraussichtlich bei jeder Außenprüfung zu Diskussionen kommen. Da bei konsequenter Verbuchung der Bestände in Auszahlsystemen grundsätzlich keine Abweichung zwischen Saldo 1 und Saldo 2 besteht, wird dieser Bereich kaum zu Mehrergebnissen in einer Außenprüfung führen.
Aktueller Handlungsbedarf
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es kaum möglich, der Anweisung des BMF zu folgen, da die notwendig werdenden Softwareänderungen nicht zur Verfügung stehen. Sobald die Softwarehäuser die Programmänderungen eingepflegt haben, stellt sich die Frage, ob und wann eine Umstellung auf Anwendung des Saldo 1 erfolgen sollte. Das „ob“ muss jeder Unternehmer für sich entscheiden, wohlwissend, dass die Abweichung von der veröffentlichten Anordnung der Finanzbehörden mit Risiken verbunden ist. Die Frage nach dem „wann“ wird sich zu Beginn eines neuen Geschäftsjahrs stellen, da laufende und abgeschlossene Buchhaltungsjahre nur mit unangemessen großem Aufwand angepasst werden können."
Hier enden die Ausführungen und hilfreichen Tipps des Experten und DAV-Vorstandsmitgliedes Horst Hartmann. In der Anlage das BMF-Schreiben als PDF. Der AutomatenMarkt wird an dem Thema dranbleiben.