01.12.2020

Sachsen-Anhalt: OVG kippt Öffnungsverbot für Wettannahmestellen

Mit Beschluss vom 27. November 2020 (Az.: 3 R 226/20) hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in einem Normenkontrollverfahren durch einstweilige Anordnung die Schließung von Wettannahmestellen vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Laut Pressemitteilung des Gerichts sei es mit höherrangigem Recht nicht vereinbar, dass die Landesregierung als Verordnungsgeber den Betrieb von Freizeit-, Spiel- und Vergnügungseinrichtungen vollständig untersage, ohne danach zu differenzieren, wie hoch das Infektionsrisiko in den einzelnen Betrieben überhaupt sei, zugleich aber gesellschaftlich als nützlich anerkannte Tätigkeiten weiterhin ermögliche, obwohl dort mitunter ein deutlich höheres Infektionsrisiko als in den untersagten Bereichen bestehe. In Wettannahmestellen sei allein ein mögliches Verweilen von Kunden mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Den damit verbundenen Gefahren könne mit einer Beschränkung des Aufenthalts in Wettannahmestellen auf den zur Abgabe der Wette notwendigen Zeitraum begegnet werden. Zudem würden in den Lotto-Annahmestellen des Landes neben Waren und/oder Dienstleistungen weiterhin Sport- sowie Ergebnis- und Auswahlwetten angeboten.

Lotto-Annahmestellen sind nach wie vor geöffnet – Widerspruch

Die Schließung von Wettannahmestellen sei zwar Teil eines Maßnahmenbündels, nach dem zahlreiche Kultur-, Freizeit-, Spiel- und Vergnügungseinrichtungen zu schließen sind, um freizeitorientierte Bewegungsströme der Bevölkerung zu regulieren beziehungsweise im Wesentlichen zu stoppen und so das mit Sozialkontakten in diesen Bereichen verbundene Infektionsrisiko deutlich zu reduzieren.

Die staatlichen Lotto-Annahmestellen seien aber nach wie vor geöffnet. Aufgrund der dort - neben einem Waren- und/oder Dienstleistungsangebot - eröffneten Möglichkeiten zur Abgabe von Wetten werde Kunden zumindest ein zusätzlicher Anreiz gegeben, diese Annahmestellen eigens aufzusuchen oder dort vor oder nach dem Konsum von Waren oder Dienstleistungen noch für die Dauer des Wettvorgangs zu verweilen. Gerade die durch derartige Anreize geschaffenen vermehrten sozialen Kontakte wolle der Verordnungsgeber mit der Schließung von Freizeit- und Vergnügungseinrichtungen wie Wettannahmestellen aber an sich reduzieren. Es erscheine daher nicht widerspruchsfrei, wenn der Verordnungsgeber einerseits die vollumfängliche Schließung privater Wettannahmestellen bestimme, es andererseits aber trotz der damit verbundenen zusätzlichen sozialen Kontakte hinnehme, dass Kunden die Abgabe von Wetten in Annahmestellen von staatlichen Unternehmen ermöglicht werde.

Unverhältnismäßigkeit

Das erklärte Ziel, das Infektionsgeschehen durch eine Verminderung der persönlichen Kontakte im Freizeit- und Vergnügungsbereich effektiv zu begrenzen, werde bei dieser gegenwärtigen Sachlage in Bezug auf die von Wettannahmestellen ausgehenden Kundenanreize gerade nicht konsequent verfolgt. Es sei vor diesem Hintergrund nach summarischer Betrachtung unverhältnismäßig, privaten Wettannahmestellen nicht zumindest – wie in einigen anderen Bundesländern – die Möglichkeit zu geben, ihren Betrieb dergestalt aufrechtzuerhalten, dass eine reine Abgabe von Wetten ohne darüber hinausgehendes Verweilen möglich ist.