Hamburger Bürgerschaft arbeitet mit falschen Zahlen
Die Hamburger Bürgerschaft beschäftigt sich derzeit mit einem Gesetzentwurf zur Regulierung der Spielstätten im Stadtstaat. In Gesetzgebungsverfahren ist es üblich, dass Ergebnisse von Studien herangezogen werden, um sich ein Bild von der Lage und dem Regelungsbedarf zu machen.
In einer E-Mail an die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten des Gesundheits- und des Wirtschaftsausschusses haben die Hamburger Automatenunternehmer die Abgeordneten darauf hingewiesen, dass für die Beurteilung des Gesetzentwurfes zum Hamburger Spielhallengesetz offensichtlich falsche, falsch zitierte beziehungsweise unvollständige Zahlen zugrunde gelegt werden.
Geschätzte Zahl von pathologischen Spielern
Über die Betreiber der Hamburger Spielhallen wird berichtet, dass mehr als die Hälfte (56,4%) ihrer Umsätze von süchtigen Spielern stammten. "Den Abgeordneten wurde in der Mail mit Kopien der Original-Unterlagen nachgewiesen, dass dieser Wert nicht empirisch ermittelt, sondern mithilfe eines australischen Umsatzindexes („Känguruh-Index“) und einer geschätzten Verhältniszahl zusammengerechnet worden ist", sagt Sabine Glawe, Vorsitzende des Hamburger Automaten-Verbandes.
Australien verfügt über Spielautomaten, die eher staatlichen Spielbankgeräten als den streng regulierten gewerblichen Spielhallengeräten ähneln und gilt als der Staat mit den höchsten Glücksspielumsätzen weltweit. Deutschland rangiert aufgrund der bestehenden strengen Gesetzgebung dagegen weitab auf den hinteren Rängen.
Dennoch wird dieser Wert zunehmend und ungeprüft in politische Entscheidungsprozesse hineingebracht. Die diplomierte Kauffrau Sabine Glawe: “Eine solche Vorgehensweise ist schlichtweg unwissenschaftlich und unseriös. Es soll ein falsches Tatsachenbild vermittelt werden, um von der sehr viel höheren Gefährlichkeit staatlicher Spielbank-Geräte abzulenken. Es gilt immerhin, das staatliche Glücksspielmonopol zu erhalten.“
Unvollständige Zitate und Faktenverdrehung
Hier hinein passt laut Glawe auch das verwendete Zitat, dass 4,5 Prozent der in einer Studie befragten Jugendlichen bereits Geldspielgeräte-Erfahrungen haben. "Es ist unvollständig: nicht erwähnt wird, dass die gleichen Jugendlichen zu 5,3 Prozent staatlicherseits angeboten Lotto, Toto, Oddset-Wetten und Bingo spielen und zu 15 Prozent an Sofortlotterien, zum Beispiel Rubbellose, die erst ab 18 zulässig sind, spielen. Der staatliche Jugendschutz wird gern als vorbildlich herausgestellt, scheint aber den Zahlen nach nicht so wirksam zu sein wie das Auge einer Spielstättenfachkraft oder eines Gastwirtes", sagt Glawe.
Auch ein Wert aus einer Studie zur Evaluation der Spielverordnung (IFT-Studie) wird einer Pressemitteilung des Hamburger Automaten-Verbandes gern verwendet, um nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Bevölkerung Angst und Schrecken vor Spielhallen zu verbreiten. "Der Autor der Studie, Prof. Bühringer, München, weist jedoch ausdrücklich und schriftlich auf einen Stichprobenfehler hin. In Fachkreisen ist dieser Fehler bekannt, wird aber immer dann gern unter den Teppich gekehrt, wenn die Politik im Sinne der Interessen der Helferszene 'informiert' werden soll", so die Pressemeldung.
Undemokratisches Gesetzgebungsverfahren
„Wenn solche falschen und unvollständigen Werte die Grundlage eines Gesetzgebungsverfahrens werden, wird es sehr undemokratisch. Wir haben die Abgeordneten über diese unseriöse Vorgehensweise informiert und darum gebeten, diese Zahlen nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung zu machen“ so Glawe.
Am 27. April 2012 wird der Gesetzentwurf eines Hamburger Spielhallengesetzes in der Hamburger Bürgerschaft in einer Expertenanhörung beraten. Es soll am 1. Juli 2012 in Kraft treten.