Geplante Steuer auf Online-Glücksspiel entzweit Gutachter
Bei einer öffentlichen Anhörung zur geplanten Besteuerung von Online-Glücksspielen im Finanzausschuss des Bundestages vertraten die eingeladenen Gutachter sehr unterschiedliche Auffassungen. Das berichten die Parlamentsnachrichten des Deutschen Bundestags.
Hintergrund: Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf zur Änderung des Rennwett- und Lotteriegesetzes und zur Änderung der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetzes (19/28400) eingebracht. Danach soll nicht wie beim herkömmlichen Glücksspiel der Teil der Einnahmen, der nicht wieder als Gewinn ausgeschüttet wird, mit rund 25 Prozent besteuert werden, sondern sämtliche Einnahmen pauschal mit 5,3 Prozent.
Befürchtungen der Gegner
Renatus Zilles vom Deutschen Verband für Telekommunikation und Medien (DVTM) wies darauf hin, dass bei den im Online-Glücksspiel üblichen hohen Ausschüttungsquoten ein Steuersatz von 5,3 Prozent des Einsatzes einer etwa 125-prozentigen Besteuerung der Einnahmen entspreche. Die Anbieter müssten ihre Auszahlungsquote auf ein Niveau senken, das die Spieler in den Schwarzmarkt treibe. Damit werde das begrüßenswerte Ziel des Glücksspiel-Staatsvertrags 2021, Jugend- und Spielerschutz zu stärken, konterkariert. Im Ergebnis würden zudem die Steuereinnahmen nicht steigen, sondern sinken.
Ähnlich äußerte sich der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. Der Glückspielstaatsvertrag 2021 wolle die Spieler möglichst in einen regulierten Markt ziehen, könnte aber an einer unsachgemäßen Besteuerung scheitern, so Haucaps Befürchtung. Es gebe unzählige illegale Portale im Internet, die leicht über Vergleichsportale zu finden seien. Beim vorgesehenen Steuersatz würden vor allem Intensivspieler abwandern, sagte Haucap voraus, „die, über die wir uns am meisten Sorgen machen“.
Argumente der Befürworter
Dem widersprach der Kölner Rechtsanwalt Markus Ruttig. Bisher seien diejenigen Anbieter privilegiert, die sich dem deutschen Ordnungsrecht und dem deutschen Steuerrecht entziehen. Wer sich aber künftig der deutschen Steuerregelung entziehe, riskiere, den Zutritt zum deutschen Markt zu verlieren. „Das wird erstmals dazu führen, dass die Steuer in den Breite freiwillig gezahlt werden wird“, sagte Ruttig voraus. Er glaube nicht, dass viele Spieler in den illegalen Markt abwanderten, wo sie nicht wüssten, was sie von ihrem Einsatz zurückbekämen. Zudem könnten nur noch legale Anbieter in Deutschland werben.
An ein Ausweichen in die Illegalität glaubt auch Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft nicht: „Sonst kann jeder Handwerker sagen: besteuert mich nicht so hoch, sonst gehen die Leute in die Schwarzarbeit.“ Der vorgesehene Steuersatz sei im Vergleich zu herkömmlichem Glücksspiel eher niedrig bemessen. Das Online-Glücksspiel habe Wettbewerbsvorteile, da es mit weniger Personal- und Sachaufwand zu betreiben sei und keine Schließungszeiten kenne. Das terrestrische Glücksspiel zahle zusätzlich zur Umsatzsteuer die kommunale Vergnügungssteuer, die beim Online-Glücksspiel wegfalle. Die effektive Besteuerung des terrestrischen Spiels belaufe sich damit auf etwa fünf Euro pro hundert Euro Einsatz. Daran orientiere sich die neue Online-Steuer.
Verfassungs- und EU-Recht
Auf verfassungsrechtliche Fragen ging der Heidelberger Steuerrechtler Ekkehart Reimer ein. Er halte die Besteuerung von Online-Glücksspiel für verfassungsrechtlich geboten wegen des Gleichheitssatzes im Grundgesetz. Probleme machte Reimer in zwei Punkten aus. Zum einen sehe er die Bundeskompetenz für diese Gesetzgebung zwar gegeben, die Begründung dafür im Gesetzentwurf sei aber anfechtbar. Vor allem aber seien die Ermächtigungsgrundlagen für die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz viel zu unbestimmt.
Kontrovers wurde in den Anhörung bewertet, ob die geplante neue Steuer gegen EU-Recht verstößt. Sowohl Renatus Zilles vom Branchenverband DVTM als auch der Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap nannten es sehr wahrscheinlich, dass sie von der EU-Kommission als unerlaubte Beihilfe zugunsten von Spielbanken und Automatenaufstellern eingestuft wird. Dies könne für Spielbanken und Spielhallen in Deutschland weitreichende Folgen bis hin zur Existenzgefährdung haben.
Dem widersprach der Leipziger Steuerrechtler David Hummel. Eine Besteuerung, wie sie der Gesetzentwurf vorsehe, sei beihilferechtlich möglich „für bestimmte Dienstleistungen, die ich kaum anders besteuern kann“. Ein großer Vorteil der Regelung sei ihre Einfachheit. Allerdings befürchtet auch Hummel, dass damit „die Flucht in die Illegalität nicht aufgehalten wird“