01.06.2007

Europäische Kommission kritisiert geplanten Glücksspielstaatsvertrag

Die Europäische Kommission hat jetzt in einer ausführlichen Stellungnahme den Entwurf für einen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in vier wesentlichen Punkten kritisiert.

Bereits im März hatte sich Kommissions-Vizepräsident Günter Verheugen kritisch über das „Internetverbot“ im geplanten Staatsvertrag geäußert. Jetzt erweiterte die Kommission ihre Kritik um folgende Punkte:

Beschränkung des freien Kapitalverkehrs:

Die Kommission kritisiert, dass zum Beispiel ein deutscher Bürger, der sich im EU-Ausland aufhält, nicht seine aus Deutschland stammende Kreditkarte benutzen darf, um Glücksspiele im Internet zu bezahlen, die im EU-Ausland erlaubt sind.

Deutschland müsse berücksichtigen, dass Glücksspiele, für die ein anderer EU-Mitgliedsstaat eine Genehmigung erteilt hat, nicht von vornherein rechtswidrig seien. Ebenso wenig könne die deutsche Glücksspielaufsicht vor diesem Hintergrund Finanzdienstleistungsunternehmen an der Ausübung ihrer Grundfreiheiten aus dem EG-Vertrag hindern.

Werbebeschränkungen:

Das generelle Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Internet, im TV oder über das Telefon geht nach Ansicht der Kommission über das erforderliche Maß hinaus, auch wenn das Ziel der Suchtprävention im Vordergrund steht. Warum die Werbung für Glücksspiele per Post, in der Presse und im Radio oder auf andere Weise erlaubt bleiben soll, erschließt sich der Kommission nicht, und das Verbot für Trikot- und Bandenwerbung für Sportwetten belege die fehlende systematische Strategie zur Bekämpfung der Spielsucht, da dieses Verbot nur für Sportwetten gelte.

Auch könne es nicht sein, dass eine ausländische Mannschaft mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müsse, nur weil sie in einem deutschen Stadion mit dem Logo eines in ihrem Herkunftsland rechtmäßigen Sponsors aus der Glücksspielbranche aufläuft. Die Kommission weist ausdrücklich darauf hin, dass die Werbeverbote unverhältnismäßig und nicht geeignet sind, die im Vertragsentwurf definierten Ziele zu erreichen.

Begrenzung der Verkaufsstellen - Beschränkungen der Vertriebswege:

Die Kommission merkt kritisch an, dass die Länder die Zahl der Annahmestellen begrenzen, nicht aber reduzieren wollen. So gehe aus dem Staatsvertrag eindeutig hervor, dass die Zahl der rund 27 000 Annahmestellen auch in den kommenden vier Jahren beibehalten werden soll.

Daraus leite sich eine Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in Deutschland ab für alle Spielevermittler mit Sitz in einem EU-Mitgliedsland, die ihre Dienstleistungen auf dem deutschen Markt anbieten möchten. Zwingende Gründe des Allgemeininteresses könnten hierfür keine Rechtfertigung liefern, da Beschränkungen in jedem Falle diskriminierungsfrei angewandt werden müssten.

Wettbewerbsbeschränkungen:

Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen des Staatsvertrags, die sich auf das Erfordernis der „Lokalisierung“ beziehen, gegen die EG-Wettbewerbsregeln verstoßen. Die Kommission verweist auf die Entscheidung des Bundeskartellamtes, das die regionale Marktaufteilung von Lotto bereits im August 2006 verurteilte, und gelangt zu dem Ergebnis, dass die Bestimmungen, die eine territoriale Marktabschottung herbeiführen, mit dem EG-Wettbewerbsrecht unvereinbar sein dürften.

Deutschland hat nun Zeit, bis Mitte Juli zu den Kritikpunkten der Kommission Stellung zu nehmen.

„Die Kritik der Kommission an dem Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags ist mehr als deutlich ausgefallen“, Markus Maul, Präsident des Verbands Europäischer Wettunternehmer (VEWU). „Dass es sich bei den Vorwürfen nicht um ,Kavaliersdelikte' handelt, steht außer Frage. Spätestens jetzt kann niemand mehr ernsthaft behaupten, dass der deutsche Glücksspielstaatsvertrag europarechtskonform ist. Die Kommission hat Deutschland unmissverständlich mitgeteilt, dass dieser Gesetzentwurf die Grundfesten des EG-Vertrags verletzt. Für uns gibt es keinen Zweifel, dass der EuGH, der auch über eine entsprechende Vorlage des VG Gießen entscheiden wird, die schwerwiegenden Verstöße gegen zentrale Grundfreiheiten des EG-Vertrags verurteilen wird.“