Ruf nach neuem Staatsvertrag wird lauter
Viele haben es schon immer vermutet, jetzt ist es amtlich: In Deutschland wird es bis auf Weiteres keine Sportwettenkonzessionen geben. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel hat das Urteil der Vorinstanz bestätigt und die Konzessionsvergabe endgültig gestoppt (Az 8 B 1028/15).
Die Begründung der obersten hessischen Verwaltungsrichter ist eine schallende Ohrfeige für die Bundesländer. Das Verfahren der Konzessionsvergabe verstoße gegen das Transparenzgebot und verletze das Grundrecht der Berufsfreiheit der Bewerber. Und das zuständige Glücksspielkollegium, eine der tragenden Säulen des gesamten Glücksspielstaatsvertrags, sei nicht ausreichend demokratisch legitimiert und bundesstaatlich unzulässig. Mit einem Wort: Die ganze Geschichte sei verfassungswidrig. Ausführliche Informationen bringt der AutomatenMarkt in seiner November-Ausgabe.
Seit der Entscheidung vom 16. Oktober hagelt es Stellungnahmen und Kommentare, in denen die Bundesländer aufgefordert werden, endlich realitätsbezogen und verfassungskonform zu handeln. Ein 2. Glücksspieländerungsstaatsvertrag sei unausweichlich.
Paradigmenwechsel nötig
"Wir benötigen jetzt dringend einen konstruktiven Dialog über einen glücksspielrechtlichen Paradigmenwechsel in Deutschland", sagte Mathias Dahms, der Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes (DSWV). "Das Regulierungschaos muss ein Ende haben."
Norman Faber, Präsident des Deutschen Lottoverbandes (DLV), kommentiert das Urteil wie folgt: "Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes entzieht dem Glücksspielkollegium als zentrale Schaltstelle des umstrittenen Glücksspielstaatsvertrags ihre Legitimation. Damit ist der Staatsvertrag Makulatur."
"Staatsvertrag ist Makulatur"
In der "Süddeutschen Zeitung" heißt es: "Damit steht erneut die gesamte Glücksspielregulierung infrage. Ausgehend von dem Urteil könnten auch weitere Entscheidungen des Glücksspielkollegiums grundgesetzwidrig sein."
"Die Bundesländer haben sich verzockt. Ihr Versuch, das Glücksspiel zu regeln, ist gescheitert", schreibt die "Frankfurter Rundschau" in einem Kommentar. "Nach dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sollten sie das endlich einsehen, statt weiter auf Zeit zu spielen."
Nicht länger auf Zeit spielen
Prof. Dr. Tilman Becker, Glücksspiel-Experte an der Universität Hohenheim, begrüßt die Entscheidung der hessischen Richter ebenfalls. Er sieht in dem Urteil eine Chance, das geltende Recht auch wirklich umzusetzen und verstärkt gegen illegale Machenschaften vorzugehen.
Für den Hessischen Innenminister Peter Beuth scheint das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls nicht überraschen gekommen zu sein. Wenige Tage vor der Entscheidung stellte er fest, die gesetzgeberische Intention, wie Jugendschutz, Bekämpfung der Spielsucht und Sicherstellung des Verbraucherschutzes der Spieler sei nicht erreicht worden, da mangels Ordnung völliger Wildwuchs entstanden sei. Es sei an der Zeit aus der bundesweit unbefriedigenden Situation herauszukommen.
„Wir Hessen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir eine Neuregelung des bestehenden gesetzlichen Rahmens brauchen: auf der Ebene der Ministerpräsidentenkonferenz, bei der Innenministerkonferenz und in der Öffentlichkeit", sagte Beuth.
Länder ducken sich weg
Auch die hessischen Grünen haben es nun schon immer gewusst: "Wir Grüne haben die quantitative Beschränkung der Konzessionen noch nie verstanden", schreibt die Wiesbadener Landtagsfraktion in einer Stellungnahme. Die hessischen Grünen hoffen, dass "einige andere Bundesländer" nun über ihren Schatten springen und ihre Blockadehaltung aufgeben. Neben Staatseinnahmen gehe es doch auch um bessere Regulierungen zum Schutz vor Spielsucht.
Von den angesprochenen anderen Bundesländern gibt es bislang noch keine öffentliche Stellungnahme. Sie ducken sich weg.