03.02.2021

Automatenbranche fordert modernes Landesglücksspielgesetz – Spieler- und Jugendschutz stärken, Arbeitsplätze erhalten

80 Prozent der Spielhallen-Konzessionen in Baden-Württemberg droht zum 30. Juni die Schließung. 8 000 Arbeitsplätze im Land sind akut gefährdet. Georg Stecker fordert eine zeitgemäße Regulierung.

Dirk Fischer kritisiert Mindestabstände zwischen Spielhallen und befürchtet das Aus von hunderten von Familienunternehmen. Foto: Dirk Fischer (Mitte) erläutert dem Landtagsabgeordneten Fabian Gramling (CDU) die Abläufe an einem Geldspielgerät.

Die Automatenbranche blickt auch in Baden-Württemberg mit Sorge in die Zukunft, denn bis zu 80 Prozent der Spielhallen-Konzessionen im Land droht zum 30. Juni die Schließung. 8 000 Arbeitsplätze sind akut gefährdet.

Der Grund: ein Luftlinienabstand von 500 Meter zwischen staatlich konzessionierten Spielhallen untereinander sowie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen. Während in der baden-württembergischen Automatenwirtschaft ein Kahlschlag droht, will der Landtag in seiner heutigen Plenarsitzung den Glücksspielstaatsvertrag 2021 ratifizieren und damit die Grundlage für die Legalisierung bisher illegaler Online-Glücksspiele zum 1. Juli schaffen.

Ruf nach moderner Regulierung

Der Dachverband Die Deutsche Automatenwirtschaft (DAW) und der Automaten-Verband Baden-Württemberg (AVBW) kritisieren die inkonsistente Regulierung des Glücksspielmarktes und fordern ein modernes Landesglücksspielgesetz, das staatlich konzessionierte Spielhallen nach qualitativen statt quantitativen Kriterien reguliert.

"Wir begrüßen, dass der Glücksspielstaatsvertrag 2021 alle Formen des Glücksspiels mit einbezieht und die Möglichkeit einer qualitativen Regulierung schafft", sagt DAW-Vorstandssprecher Georg Stecker und warnt zugleich davor, an Mindestabständen festzuhalten: "Das ist eine überkommene Regulierung. Online-Spiel verändert alles."

Kanalisierungsauftrag in höchster Gefahr

Der wichtige Kanalisierungsauftrag – der Auftrag, das Spielbedürfnis der Menschen in geordnete und legale Bahnen zu lenken – sei in höchster Gefahr, sagt Stecker und verweist auf die Nachbarländer Baden-Württembergs, die den Spieler- und Jugendschutz gewährleisten wollen, indem sie auf Qualität setzen und schauen, was in den Spielhallen passiert.

Eine starke Reduzierung des terrestrischen Angebots sei falsch, zumal der Bestand an Spielhallen in Baden-Württemberg seit Jahren nicht gewachsen sei. Die Politik sollte jetzt nicht übereilt handeln, sondern zunächst abwarten, wie sich der Online-Markt und dessen Qualität entwickelten.

Auch Dirk Fischer, Vorstandsmitglied des Automaten-Verbandes Baden-Württemberg, fordert ein Moratorium bei den Mindestabständen, "zumal die Glücksspielaufsicht, die den Online-Anbietern auf die Finger schauen soll, erst ab 2023 arbeitsfähig sein soll.

Hunderten von Familienunternehmen droht das Aus

Fischer sieht die Existenz hunderter Unternehmen im ganzen Land ist akut bedroht. Familienunternehmen, die oft in der 2. oder 3. Generation geführt werden, drohe inmitten einer der schwersten Wirtschaftskrisen der Nachkriegsgeschichte das Aus. Von landesweit rund 10 000 Arbeitsplätzen – davon 90 Prozent sozialversicherungspflichtig – seien 8 000 bedroht.

Gesunde Unternehmen müssten ohne Not 75 bis 80 Prozent der Spielhallen schließen. "Das ist nicht nötig und nicht erklärbar", so Fischer. "Am 30. Juni fällt die Guillotine und gleichzeitig wird bisher illegales Online-Spiel legalisiert, das man ohne Kontrolle auch auf dem Schulhof oder in der Badewanne spielen kann. Das ist absurd."

Kommunale Einnahmeausfälle

Schließlich machte Fischer – als Automatenkaufmann selbst ein Betroffener – darauf aufmerksam, dass im Jahr 2019 aus baden-württembergischen Automaten 269 Millionen Euro an Vergnügungssteuer in kommunale Kassen geflossen sind. "Wenn 75 Prozent der Spielhallen schließen müssen, können Sie sich ausrechnen, wie hoch die Verluste der Städte und Gemeinden sein werden."